Antrag: Junge Menschen fit machen für Europa! Niedersachsens Schulen, Hochschulen und Ausbildungsstätten für die Teilnahme an internationalen Austauschprogrammen stärken

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Aktuelle Erhebungen zeigen, dass viele Jugendliche Interesse an einer Auslandserfahrung haben, von Angeboten in Schulen und mit öffentlicher Förderung jedoch bislang nicht erreicht werden. Der hohe bürokratische Aufwand für die Teilnahme an einem Austauschprogramm wird sowohl von Schulen als auch von Schüler*innen und Studierenden bemängelt.

Das EU-Programm „Erasmus+“ hat sich in Niedersachsen in den letzten Jahren großer Beliebtheit erfreut. Auslandsaufenthalte sind im Rahmen der Schulzeit, als Teil des Studiums oder während der beruflichen Aus- und Weiterbildung eine optimale Möglichkeit, soziale, sprachliche und interkulturelle Kompetenzen sowie persönliche und berufliche Schlüsselqualifikationen zu erwerben, die in Zeiten der Globalisierung eine bedeutende Rolle spielen. Internationale Erfahrungen befähigen zu einem besseren Verständnis globaler Zusammenhänge und fördern Werte wie Integration, Vielfalt, Toleranz und demokratische Teilhabe sowie nachhaltige Entwicklung im Sinne der „Sustainable Development Goals“ (SDG). Eine Teilnahme an einem europäischen Austauschprogramm gibt jungen Menschen zudem die Möglichkeit, Europa hautnah zu erleben und so den europäischen Gedanken zu verinnerlichen und weiter zu tragen. Sie begreifen das Zusammenwachsen Europas als Wert an sich und lernen den Mehrwert der europäischen Zusammenarbeit kennen. Gerade in Zeiten, in denen die Erfolge der europäischen Einigung und die Vorteile der europäischen Zusammenarbeit zunehmend infrage gestellt werden, sollten diese persönlich erfahrbar sein – vor allem für junge Menschen. Nicht selten engagieren sich junge Menschen nach einem Auslandsaufenthalt für eine aktive und offene Gesellschaft – dies stärkt die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Vor diesem Hintergrund sollten alle jungen Menschen – unabhängig von Schulform, Bildungshintergrund, Herkunft, Familiensituation, Behinderung, Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung, individuellen Fähigkeiten oder ökonomischen Voraussetzungen – Zugang zu einem Austauschprogramm erhalten können. Für Personen mit ansonsten geringen Teilhabechancen ist dabei, bezogen auf die Vorteile, die mit einer Teilnahme an solchen Programmen einhergehen, eine besondere Unterstützungsleistung vorzuhalten.

Gute Möglichkeiten zum internationalen Austausch steigern die Attraktivität Niedersachsens als Bil-dungs- und Wissenschaftsstandort. Durch die institutionelle Zusammenarbeit der Schulen und Hochschulen werden Austausch und Weiterentwicklung innovativer Lehr- und Unterrichtspraktiken vorangetrieben.

Dies vorausgeschickt, bittet der Landtag die Landesregierung,

  1. die Verbreitung des EU-Programms eTwinning zu fördern, indem die Landesregierung sich für eine Vereinfachung der Antragstellung auf europäischer Ebene einsetzt.
  2. die niedersächsischen Schulen bei der Beantragung von Mitteln im EU-Programm „Erasmus+“ stärker zu entlasten, indem ihnen insbesondere bei der Antragstellung, Organisation und Koordination europäischer Austauschmaßnahmen Hilfestellung zur Verfügung gestellt wird.
  3. das Programm „Europa macht Schule“ stärker an allen Schulen im Land zu bewerben, um Menschen im Sinne des europäischen Gedankens zusammen zu bringen.
  4. durch gezielte Informationen an allen Schulformen dafür zu werben, dass mehr Schüler*innen an europäischen Austauschprogrammen teilnehmen.
  5. die niedersächsischen Schulen dazu anzuregen, dass die Durchführung des Deutsch-Französischen Tages mehr Berücksichtigung findet und deutsch-französische Austauschprogramme verstärkt durchgeführt werden.
  6. den Schulen dabei zu helfen, vermehrt Informationen über die diversen Angebote zu außerschulischen Projekt(-tagen) und Veranstaltungen zu europapolitischer Bildung, europäischer Völkerverständigung und Demokratieförderung bereitzustellen.
  7. für Studierende an niedersächsischen Hochschulen durch Überwindung von Barrieren eine Teilnahme an Auslandsaufenthalten im Rahmen des EU-Programms „Erasmus+“ zu ermöglichen, indem sie bei der Information und Organisation des Auslandsaufenthalts stärker unterstützt, bürokratische Hürden abgebaut und die Anerkennung extern erbrachter Studienleistungen in Niedersachsen erleichtert werden. Neben einer Verbesserung der Datenlage, soll sie sich für eine Steigerung der Transparenz einsetzen - etwa durch zentrale Informationen zu den örtlichen Begebenheiten an den niedersächsischen Erasmus+ Institutionen, den Erasmus+ Partnerinstitutionen sowie zu Leistungen der Krankenkassen im Rahmen der Sozialversicherungsabkommen in den Programmländern.
  8. Auszubildenden die Teilhabe an internationalen Mobilitätsprogrammen (Praktika im Ausland, Austauschmaßnahmen der Beruflichen Schulen, u.a.) zu erleichtern und aufbauend auf der Kooperation mit Andalusien weitere Kooperationsverträge mit anderen Regionen zu schließen.
  9. Ausbildungsbetriebe und berufliche Schulen dabei zu unterstützen, Informationen über europäische Mobilitätsprogramme für Auszubildende gezielt bereitzustellen.
  10. zu prüfen, wie das Europäische Informationszentrum Niedersachsen und andere regionale Informations- und Beratungsstellen als Ansprechpartner für Fragen zu Austauschprogrammen der EU weiterentwickelt werden können, um Informationen über passgenaue Förder- und Qualifizierungsangebote für junge Menschen im internationalen Austausch zu bündeln und somit die Nutzung entsprechender Angebote durch junge Menschen in Niedersachsen durch entsprechende Beratungsangebote zu erleichtern.
  11. zu prüfen, inwieweit die niedersächsischen Europaschulen in ihrer Arbeit unterstützt werden können, um die zahlreichen Austauschprogramme dieser Schulen aufrecht zu erhalten, weitere Europaschulen hinzuzugewinnen und die Netzwerkarbeit zu stärken.
  12. zu prüfen, inwieweit die Zusammenarbeit zwischen dem Kultus- und Sozialministerium sowie den nachgeordneten Behörden bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für den europäischen schulischen und außerschulischen Jugendaustausch weiterentwickelt werden kann, um eine Zusammenarbeit von Trägern der europäischen Jugendarbeit und der Schulen anzuregen, zu erleichtern und aktiv zu unterstützen.
  13. zu prüfen, wie bürgerschaftliches Engagement von Gastfamilien und ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern von Austauschprogrammen in der Öffentlichkeit nicht nur besser sichtbar gemacht und honoriert werden kann, sondern vor allem wie Gastfamilien und Programm-Betreuer*innen ggf. zusätzlich finanziell unterstützt sowie neu gewonnen werden können.

Begründung

Die Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union spielt für Deutschland eine bedeutende Rolle und ist insbesondere für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Niedersachsen von existentieller Bedeutung. Damit bereits junge Menschen von den vielen Vorteilen der europäischen Integration profitieren und ihren Wert schätzen lernen, sollten Kinder und Jugendliche so früh wie möglich internationale Erfahrung sammeln, eine Idee für den europäischen Einigungsprozess entwickeln und sich reflektiert mit ihm auseinandersetzen. Nur so erfahren sie selbst, was die Europäische Zusammenarbeit so besonders macht.

Internationale Erfahrungen sollten allen jungen Menschen offenstehen, unabhängig von Schulform, Bildungshintergrund, individuellen Fähigkeiten oder ökonomischen Voraussetzungen. Um Europa zu erfahren, verdienen junge Menschen Unterstützung und Beratung bei der Bewältigung des finanziellen oder organisatorischen Aufwands.

Besonderes Augenmerk könnte dabei auf die deutsch-französisch-polnische Beziehung gelegt werden, die in der Nachkriegsgeschichte von besonderer Bedeutung für ein stabiles Europa ist. Dazu gehört aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit Europas, die grundlegende Voraussetzung für eine kritische Reflexion unserer gemeinsamen europäischen Geschichte ist. Die Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit haben, unsere Nachbarländer mit ihrem geschichtlichen sowie kulturellen Hintergrund und wichtigen politischen und wirtschaftlichen Partnern besser kennen zu lernen, damit ihnen die gemeinsame Verantwortung innerhalb der europäischen Gemeinschaft verdeutlicht wird.

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